Fussballsport als Ideologie

Zum Wandel des Ideologiebegriffs

Der Ideologiebegriff als historischer Begriff wandelt sich mit der Sache, die er zu begreifen sucht.1 Systematische Ideologieforschung ist der Neuzeit vorbehalten, obwohl es Ideologien bereits in der Antike gab. Die systematische Analyse der sozialen Funktion bestimmter Bewußtseinsinhalte taucht in Verbindung mit den Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums auf, als Bildung, unter dem Feudalismus im wesentlichen ein Privileg von Priestern und Mönchen, säkularisiert und auf eine bürgerliche Gelehrtengeschichte ausgedehnt wird.

Francis Bacons »Novum Organon« will der Befreiung bürgerlichinstrumenteller Vernunft von theologischer Vormundschaft dienen. Es sucht die Ursachen aufzudecken, die dem Einsatz der Vernunft im Dienste der Naturbeherrschung entgegenstehen und findet sie in Idolen, »Götzenbildern der Seele«, welche die Erkenntnis verstellen. Bacon nennt vier Arten dieser Idole - die er als kollektive Vorurteile begreift -, deren sich die Menschen zu entledigen haben, um Störungen des Erkenntnisprozesses auszuschließen: Idole des Stammes, der Höhle, des Marktes und des Theaters.

Die Götzenbilder des Stammes (idola tribus) haben ihre Ursachen in anthropologischen Konstanten, die das adäquate Erfassen der Sache verhindern; in der Organisation der Sinnesorgane beispielsweise oder der Neigung der Menschen, die Welt in Analogie zu ihrem eigenen Wesen zu interpretieren. Die Götzenbilder der Höhle (idola specus) resultieren aus individualpsychologischen Faktoren: Erziehung, Umgang, Erfahrungen, Autoritätsfixierungen prägen für jeden einzelnen eine besondere »Höhle« aus, welche das Licht der Wahrheit bricht.

Die Verdunkelung der Wahrheit kann auch aus Kommunikationsverzerrungen folgen, besonders aus verselbständigten sprachlichen Strukturen, die der Sache inadäquat sind. Bacon spricht hier von Götzenbildern des Marktes (idola fori). Götzenbilder des Theaters (idola theatri) schließlich bezeichnen die Folgen von Lehrsätzen autoritativen Charakters, welche die Erkenntnis blockieren, aber gleichzeitig mit dem Schein der Wahrheit auftreten.

Der politisch progressive Impuls, der in Bacons Theorie steckt, obwohl er falsches Bewußtsein den Subjekten und ihrer Fehlbarkeit statt objektiven gesellschaftlichen Konstellationen zuschreibt, tritt in der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts weit bestimmter zutage. Bacons Interesse galt überwiegend der Naturerkenntnis; unter Idolen verstand er vor allem Vorurteile, die den naturwissenschaftlichen Fortschritt behindern.

Die Enzyklopädisten Helvetius und Holbach hingegen zielen vornehmlich auf die kritische Analyse moralischer und religiöser Vorstellungen und deren soziale Funktion. Derartige Vorstellungen können nach ihrer Ansicht ungerechte Zustände verfestigen und der Verwirklichung des Glücks entgegenstehen, der Herstellung einer Gesellschaftsordnung, die das Individuelle und das Gesamtinteresse versöhnt.

»Die Vorurteile der Großen sind die Gesetze der Kleinen«, stellt Helvetius fest, »die Erfahrung zeigt uns, daß fast alle Fragen der Moral und der Politik durch Macht und nicht durch Vernunft entschieden werden. Wenn die Meinung die Welt beherrscht, dann ist es auf Dauer der Mächtige, welcher die Meinung beherrscht.«

Die Ausweitung der Ideologiekritik auf den sozialen Bereich hat nicht nur theoriegeschichtliche Ursachen.

Bacon macht die religiöse und soziale Vorstellungswelt seiner Zeitgenossen - obwohl er deren irrationale Fundierung durchaus sieht - nicht zum Gegenstand seiner Kritik, weil seine Philosophie auf die Interessen des aufsteigenden Bürgertums bezogen ist, das sich, im Bündnis mit der absolutistischen Staatsmacht, gegen den Feudaladel als Klasse konstituiert: die direkte Kritik jener Vorstellungen hätte die Machtposition des Absolutismus unterhöhlt, der sie den geistigen und emotionalen Kitt verschaffen.

Als der Absolutismus zur Fessel der bürgerlichen Expansion wird, richtet sich der Angriff der bürgerlichen Intellektuellen gegen die althergebrachten religiösen und moralischen Vorstellungen, die in Verkennung der Wirklichkeit meist als das reale Fundament der alten Ordnung angesehen werden. Die Kritik bekämpft die Dogmen, mit deren Hilfe das Ancien regime, das Bündnis zwischen Klerus und Aristokratie, seine schwindende Autorität zu verteidigen sucht.

Weil die ökonomische Basis der etablierten Macht nicht in die Analyse einbezogen wird, leitet man ihr Fortbestehen aus der Befangenheit in religiösen Vorstellungen ab, die den Blick auf das Jenseits anstatt auf bestehende soziale Mißstände richten. Holbachs Theorie des Priestertrugs führt falsches Bewußtsein auf Machenschaften der Mächtigen zurück: Die Herrschenden bedienen sich der Priester, welche die Religion als Werkzeug zur Sanktionierung bestehender Privilegien erfinden und verbreiten.

Die Religion schüchtert die Unzufriedenen ein, weil sie Ungehorsam gegen die Obrigkeit als Ungehorsam gegen Gott darstellt, der den Verlust der ewigen Seligkeit nach sich zieht. Zugleich honoriert sie die Unterwerfung und das Ertragen von Leiden mit der Versprechung himmlischer Kompensationen. »Die Autorität hält es allgemein für ihr Interesse, geltende Ansichten aufrechtzuerhalten: Die Vorurteile und Irrtümer, die sie für notwendig erachtet, um ihre Macht zu sichern, werden von der Macht perpetuiert, die niemals der Vernunft gehorcht.«

Der Sturz des Absolutismus und die Etablierung der Bourgeoisie als herrschende Klasse rauben der bürgerlichen Aufklärung ihre emanzipatorische Kraft: das Erbe der bürgerlichen Aufklärung tritt die sozialistische Aufklärung an. Die erste Aufklärung vertraute, auf Grund ihrer individualistischen Prämissen, einem Reflex des Konkurrenzprinzips der bürgerlichen Ökonomie, darauf, daß die Menschen ihre wahren Interessen kennen und durch Belehrung über ihre Irrtümer zu vernünftigen Wesen werden.

Die zweite Aufklärung wendet den Anspruch, kritisch zu sein, auch auf sich selbst an: Subjektives und Objektives sind ihr durch den gesellschaftlichen Funktionszusammenhang so vermittelt, daß falsches Bewußtsein bedingt ist durch eine falsche Realität, daß sich Kritik theoretisch und praktisch auf das Ganze der Gesellschaft beziehen muß und nicht bei der Korrektur des Wissens über bestimmte Fakten stehenbleiben kann.

Der Ideologiebegriff von Karl Marx hebt seine bürgerlichen Vorläufer in einer objektiv gerichteten Theorie auf. Die Marx'sche Theorie knüpft an Ludwig Feuerbachs Religionskritik am Diese hatte den projektiven Charakter religiöser Wesenheiten, ihren Ursprung in den Wünschen und Hoffnungen der Menschen aufgezeigt.

Im religiösen Bereich orientieren sich die Menschen an Produkten ihrer Phantasietätigkeit, die ihnen als übermächtige Gewalten erscheinen. Marx entdeckt denselben Mechanismus in der Begriffssphäre der deutschen Metaphysik. Begriffskomplexe, gedankliche Konstruktionen erscheinen hier als geschichtsbestimmende Kräfte, denen sich die Menschen zu fügen haben: Die Geschichte erscheint als Werk von Ideen, nicht als Resultat menschlicher Anstrengungen. »Das Bewußtsein kann nie etwas anderes sein, als das bewußte Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß.«

Dieses verkehrte Bewußtsein ist Ausdruck einer irrationalen7 Organisation der Gesellschaft und des Bestrebens, diese Organisation als sinnvoll erscheinen zu lassen. Falsches Bewußtsein ist als Moment einer falschen sozialen Realität, die ihrem Anspruch nicht genügt, notwendig falsches Bewußtsein. Die irrationale kapitalistische Produktionsweise, die die gesellschaftlichen Machtverhältnisse bestimmt, produziert zugleich ihren ideologischen Schleier.

In der kapitalistischen Gesellschaft entfalten sich die Beziehungen zwischen den Menschen nach den Prinzipien des Warentauschs. Das Schicksal der Menschen - ihre Lebenschancen, ihre Macht, ihr Freiheitsspielraum - ist von Waren (zu denen auch ihre Arbeitskraft zählt) abhängig, zu deren Anhängsel sie von einer entfremdeten Produktionsweise reduziert werden. Die Individuen haben am Lebensprozeß der Gesellschaft nur als Warenbesitzer teil, ihre Beziehungen untereinander sind - verdinglicht - die ihrer Waren.

Die Warenproduktion hat die mystifizierende Konsequenz, daß die sozialen Beziehungen der Menschen sich in Eigenschaften von Waren verwandeln. Die Produkte der menschlichen Hand scheinen dadurch mit einem eigenen Leben ausgestattet zu sein, sie scheinen untereinander und mit den Menschen Beziehungen aufzunehmen.

»Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Sachen. Durch dies Quidproquo (diese Vertauschung) werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge.«8 Dieser »Fetischcharakter der Warenwelt« entspringt dem eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, welche Waren produziert.

»Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebener Privatarbeiten sind. Der Komplex dieser Privatarbeiten bildet die gesellschaftliche Gesamtarbeit. Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches.

Oder die Privatarbeiten betätigen sich in der Tat als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt. Den letzteren erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d. h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.«

Der Warenfetischismus, als dessen Opfer Marx die klassischen liberalen Ökonomen entlarvt, bildet gleichsam eine primäre Ideologie, das Fundament von religiösen oder philosophischen Ideologien. Zu der mit der Universalität der Warenform einhergehenden totalen Entfremdung gehört die im Bewußtsein der Menschen herrschende Entfremdung. Das tote Kapital, das in der bürgerlichen Gesellschaft über die lebendige Arbeit herrscht, bildet den realen Kern, den die mysteriösen Wesenheiten umhüllen, die das Bewußtsein der Menschen bevölkern. »Die religiöse Entfremdung als solche geht nur in dem Gebiet des Bewußtseins des menschlichen Innern vor, aber die ökonomische Entfremdung ist die des wirklichen Lebens - ihre Aufhebung umfaßt daher beide Seiten.«

Die Gesellschaft streift ihren ideologischen Schleier nur ab, wenn die materielle Produktion unter die bewußte, planmäßige Kontrolle frei vergesellschafteter Menschen gestellt wird. In den ideologischen Gedankengebäuden sind Wahrheit und Falschheit verschränkt, die Wahrheit über die gesellschaftlichen Verhältnisse wird in ihnen verkehrt widergespiegelt. Die Wahrheit erscheint in ihnen, aber in falscher Gestalt, in perspektivischer Verzerrung, mystisch verkleidet.

Ideologie ist von der gesellschaftlichen Praxis abgespaltenes Bewußtsein, das gleichzeitig dem sozialen Kräftespiel verhaftet ist und eine bestimmte Funktion in ihm erfüllt. Die verkehrte intellektuelle Erfassung gesellschaftlicher Prozesse wird möglich, wenn der direkte Zusammenhang zwischen dem Bewußtsein und der Produktionsweise des materiellen Lebens unterbrochen ist. Die Verselbständigung des Bewußtseins entspringt einer gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, welche geistige Arbeit zum Privileg einer von physischer Arbeit freigestellten Minderheit macht.

Nur wenn die Teilung der Arbeit zur Sonderung der geistigen von den körperlichen Tätigkeiten führt, »kann sich das Bewußtsein wirklich einbilden, etwas anderes als das Bewußtsein der bestehenden Praxis zu sein, wirklich etwas vorzustellen, ohne etwas Wirkliches vorzustellen - von diesem Augenblick an ist das Bewußtsein imstande, sich von der Welt zu emanzipieren und zur Bildung der ›reinen Theorie‹, Theologie, Philosophie, Moral etc. überzugehen.«

Die Abspaltung ideologischen Bewußtseins von der Praxis beinhaltet auch die Abspaltung von verändernder politischer Praxis, die auf die Versöhnung der sozialen Realität mit ihrem Anspruch drängt.

Da die Ideologien von der herrschenden materiellen Praxis abgelöst sind, tauchen die realen gesellschaftlichen Antagonismen, an denen die auf Emanzipation gerichtete Praxis festzumachen wäre, in ihnen nicht auf. Ideologien dienen der Absicherung des geschichtlich Gewordenen gegenüber freiheitlicheren Alternativen: sie zementieren die bestehenden Machtverhältnisse. Die herrschende Klasse ist zugleich die im Denken herrschende Klasse, wenn auch vermittelter als die Priestertrugstheorie annimmt.

Ideologie ist Rechtfertigung, sie setzt voraus, daß ein gesellschaftlicher Zustand als problematisch erfahren wird, den es zu verteidigen gilt. Gleichzeitig ist sie auf die Idee der Gerechtigkeit bezogen, ohne die eine solche apologetische Notwendigkeit entfallen würde. Die bürgerliche Idee der Gerechtigkeit hat ihr Modell am Äquivalententausch der Warenzirkulation: Ideologie entstammt ihrem Wesen nach einer bürgerlichen Tauschwirtschaft.

»Als objektiv notwendiges und zugleich falsches Bewußtsein, als Verschränkung des Wahren und Unwahren, die sich von der vollen Wahrheit ebenso unterscheidet wie von der bloßen Lüge, gehört Ideologie, wenn nicht bloß der modernen, so jedenfalls einer entfalteten städtischen Marktwirtschaft an.«

Das Wahrheitsmoment der Ideologien ist an die bürgerliche Öffentlichkeit als Medium des Gedankenaustauschs gebunden: Nur wenn eine funktionierende Konkurrenz auch die freie Zirkulation von Ideen sichert, bildet sich die öffentliche Meinung nach dem Muster der Preisbildung auf dem anonymen Markt. Dabei dann reflektiert das Bild, das sich die Bürger von ihrer sozialen Umwelt machen - wie etwa von den Theorien des Liberalismus - wenigstens einige wichtige gesamtgesellschaftliche Faktoren.

Unterm Spätkapitalismus verliert die traditionelle Ideologiekritik zunehmend ihren Gegenstand. Ihr Erbe treten die Analyse der Funktionsweise der Apparate der kapitalistischen Integrationskultur und eine negative Anthropologie an, welche die seelischen Verstümmelungen registriert, auf die die Apparate angewiesen sind. Die Aufhebung des Konkurrenzkapitalismus in monopolistisehen Strukturen und der damit verbundene Abbau der relativen Selbständigkeit der Verteilungssphäre bringen den Zerfall dessen mit sich, was einst bürgerliche Öffentlichkeit war.

Die Form der Bewußtseinsbildung, der die bürgerliche Theorie ihre intellektuelle Substanz verdankt, wird zerstört; die ökonomische Konzentration führt zu monopolistisch organisierten Informationsmedien, die Information und Räsonnement durch Manipulation ersetzen.

»Von Ideologie läßt sich nur so weit reden, wie ein Geistiges selbständig, substantiell und mit eigenem Anspruch aus dem gesellschaftlichen Prozeß hervorgeht. Ihre Unwahrheit ist stets der Preis eben dieser Ablösung, der Verleugnung des gesellschaftlichen Grundes. Aber auch ihr Wahrheitsmoment haftet an solcher Selbständigkeit, an einem Bewußtsein, das mehr ist als der bloße Ausdruck des Seienden, und das danach trachtet, das Seiende zu durchdringen.«

Signatur des falschen Bewußtseins ist heute eher das Fehlen dieser Selbständigkeit als ein trügerischer Autonomieanspruch. Die Gedanken werden korrumpiert, weil der Produktionsapparat immer mehr alle Bewußtseinsregungen einfängt und reglementiert, weil das Bewußtsein als bloßes Durchgangsmoment in die Schaltung verselbständigter Apparate eingespannt wird.

Die Autonomie geistiger Produkte war schon immer dadurch begrenzt, daß sie über den Markt verteilt wurden, daß sie ihren Urhebern den Lebensunterhalt sichern mußten. Die Praxis der spätkapitalistischen Kulturindustrie zerstört selbst diese relative Autonomie, das Profitprinzip durchdringt geistige Gebilde nun ungebrochen:

Kulturwaren sind einzig auf das Prinzip ökonomischer Verwertbarkeit ausgerichtet, sie sind unmittelbar und unverhüllt an Profitchancen orientiert. Die Funktion der alten Ideologien, die Konformität mit dem Status quo zu sichern, wird weitgehend in den verhüllten Zwängen des Konsums etabliert. Falsches Bewußtsein schlägt sich kaum noch in differenzierten intellektuellen Systemen oder deren Ablegern nieder, es nimmt in industriell produzierten Verhaltensweisen, in einem System fremdgesteuerter Konsumgewohnheiten Gestalt an.

Die Produkte der Kulturindustrie sprechen nicht das Bewußtsein autonomer Subjekte an; sie sind auf sozialstrukturell bedingte seelische Verstümmelungen zugeschnitten. Ideologie sedimentiert sich als objektiver Geist in verformten Charakterstrukturen, sie zeigt sich eher im Unbewußten als im Bewußtsein der Massen. Eine Totalität von industriell verfertigten Erzeugnissen modelliert und versteinert das Bewußte und Unbewußte der sie konsumierenden Menschen. Der Produktionsapparat »verkauft« mit seinen Produkten das soziale System als Ganzes.16 Wohnungseinrichtungen, Automobile, Kleider, Filme erzeugen als ›normal‹ deklarierte Haltungen, geistige und emotionale Einstellungen, die die Verbraucher an die Produktionseinheiten binden, und über diese an das gesellschaftliche Ganze.

Zum System der kapitalistischen Massenkultur, welche die Opfer des entfremdeten industriellen Apparats bei der Stange hält, gehört auch der Sport, der längst dem Reich der Unfreiheit zuzurechnen ist. Von planender Verwaltung in Regie genommen, erzeugt er wie die anderen Manifestationen der Kulturindustrie die Identifikation der Menschen mit den bestehenden Normen und den Verhältnissen, die hinter diesen stehen.

Jedes nicht angepaßte Verhalten ist auch dem Sportfeld verfemt, wo Konformismus bis in die subtilsten seelischen Regungen hinein eingebleut wird. Von dem, was einst Ideologie war, bleibt nach Einziehung aller utopischen und kritischen Momente beim Sport, wie überall in der kapitalistischen Integrationskultur, nichts übrig als Muster eines Verhaltens, das sich der Übermacht der Verhältnisse fügt.

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