Entgegen dem kollektiven Charakter der Produktion ist im Kapitalismus Eigentum und Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel bei einer privilegierten Minderheit konzentriert. Die Masse der Bevölkerung kann ihr Leben einzig vermittels des Verkaufs ihrer Arbeitskraft reproduzieren. Sie ist gezwungen, diese als Ware einem Unternehmen anzubieten, das sie - um im kapitalistischen Konkurrenzkampf bestehen zu können - so zu verwerten trachten muß, daß ihre Kombination mit totem Kapital ihr möglichst gewinnträchtige Ergebnisse abzwingt.
Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital; er muß möglichst viel Mehrwert produzieren, der das Äquivalent des Wertes der Waren übersteigt, die ihm zur Reproduktion seiner Arbeitskraft zugemessen werden, um den Ansprüchen des Kapitalisten bzw. des Kapitals, dessen Agent der Kapitalist ist, genüge zu tun.
»Zunächst ist das treibende Motiv und der bestimmende Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses möglichst große Selbstverwertung des Kapitals, d. h. möglichst große Produktion von Mehrwert, also möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten.« (K. Marx, Das Kapital I, Berlin 1960, S. 346)
Es soll hier nicht diskutiert werden, daß nur ein Teil der Lohnabhängigen Werte schafft. Ebensowenig sollen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diskutiert werden, unter denen die Marxsche Werttheorie Gültigkeit hat.
Der Arbeiter produziert Mehrwert in zweierlei Gestalt: absoluten und relativen Mehrwert. Die Verlängerung des Arbeitstages über den Punkt hinaus, bis zu dem der Arbeiter ein Äquivalent des Wertes seiner Arbeitskraft erzeugt hat,3 das er als Entlohnung erhält und die Aneignung der Mehrarbeit durch das Kapital stellt die Produktion des absoluten Mehrwerts dar.
Diese bildet die allgemeine Grundlage der kapitalistischen Ökonomie und den Ausgangspunkt der Produktion von relativem Mehrwert. Bei dieser ist der Arbeitstag von vornherein in zwei Teile geteilt: in notwendige Arbeit, die das Äquivalent des Wertes der Arbeitskraft erzeugt und in Mehrarbeit, welche dem Kapitalisten ohne Gegenleistung zur Verfügung steht. Um die Mehrarbeit zu verlängern, wird die notwendige Arbeit durch Rationalisierungsmaßnahmen verkürzt, vermittels derer das Äquivalent des Arbeitslohnes in weniger Zeit produziert wird.
»Durch Verlängerung des Arbeitstags produzierten Mehrwert nenne ich absoluten Mehrwert; den Mehrwert dagegen, der aus der Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit und entsprechender Veränderung im Größenverhältnis der beiden Bestandteile des Arbeitstages entspringt, - relativen Mehrwert.« (K. Marx, Das Kapital I, a.a.O., S. 330)
«Während der Frühphasen der kapitalistischen Entwicklung erstrebt das Kapital die Steigerung der Mehrwert- bzw. Profitrate in erster Linie durch die Mehrproduktion von absolutem Mehrwert, durch die intensive Ausbeutung der Arbeitskraft, indem es die Arbeitszeit über alle Maßen ausdehnt. »Wenn die Maschinerie das gewaltigste Mittel ist, die Produktivität der Arbeit zu steigern, d. h. die zur Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit zu verkürzen, wird sie als Träger des Kapitals zunächst in den unmittelbar von ihr ergriffenen Industrien zum gewaltigsten Mittel, den Arbeitstag über jede naturgemäße Schranke hinaus zu verlängern.« (K. Marx, Das Kapital I, a.a.O., S. 422)
Der Druck der Konkurrenz, die natürlichen Schranken, die dieser Art der Ausbeutung gesetzt sind, und nicht zuletzt die Reaktion der in ihrer biologischen Substanz bedrohten Arbeiterklasse führen auf einer bestimmten Stufe der kapitalistischen Entwicklung zu einem Umschwung, der die Produktion des relativen Mehrwerts in den Mittelpunkt des Kapitalinteresses rückt. Die extensive Ausbeutung der Arbeitskraft schlägt in deren intensive Ausbeutung um.
»Sobald die allmählich anschwellende Empörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu verkürzen und zunächst der eigentlichen Fabrik einen Normal-Arbeitstag zu diktieren, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Produktion von Mehrwert durch Verlängerung des Arbeitstags ein für allemal abgeschnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewußtsein auf die Produktion von relativem Mehrwert durch beschleunigte Entwicklung des Maschinensystems.« (K. Marx, Das Kapital I, a.a.O., S. 430)
Gleichzeitig tritt eine Veränderung im Charakter des relativen Mehrwerts ein. Im allgemeinen besteht dessen Produktionsmethode darin, - durch die mit Hilfe der technischen Entwicklung gesteigerte Produktivkraft der Arbeit - den Arbeiter dazu zu befähigen, mit derselben Arbeitsintensität, im selben Zeitabschnitt, mehr zu produzieren. Jetzt wird, nachdem die Verkürzung des Arbeitstages gewaltige Impulse zur Entwicklung der technischen Produktivkräfte geliefert hat, auch die Arbeitsintensität wesentlich gesteigert.
Ein höherer Verdichtungsgrad der Arbeit bringt »vergrößerte Arbeitsausgabe in derselben Zeit, erhöhte Anspannung der Arbeitskraft, dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit, d. h. Kondensation der Arbeit.« (K. Marx, Das Kapital I, a.a.O., S. 430)
Die kalkulatorische Vernunft, die im Interesse des Kapitals die Produktionstechniken rationalisiert, um die Ausbeutung der Arbeitskraft intensiver zu gestalten, gibt dem Fußballsport seinen spezifischen Charakter als Leistungssport. Die optimale Exploitation der Arbeitskraft findet ihre Analogie in der optimalen »Torausbeute«, die die Athleten ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit abzwingen sollen.
Die Anziehungskraft des Fußballsports als Mannschaftssport verweist auf die Dominanz von kollektiven Arbeitsvollzügen in allen Sektoren der Wirtschaft.
Die Sachverhalte, die an Hand von Beispielen aus dem Bereich der industriellen Produktion aufgezeigt werden sollen, haben ihre Analogien in allen Sektoren der ökonomischen Sphäre.
Verglichen mit einer gleich großen Summe vereinzelter individueller Arbeitsleistungen produziert eine kombinierte Arbeitsleistung größere Massen von Gebrauchswerten und vermindert daher die zur Erreichung eines bestimmten Nutzeffekts nötige Arbeitszeit.
»Ob er im gegebenen Fall diese gesteigerte Produktivkraft erhält, weil er die mechanische Kraftpotenz der Arbeit erhöht, oder ihre räumliche Wirkungssphäre ausdehnt, oder das räumliche Produktionsfeld im Verhältnis zur Stufenleiter der Produktion verengt, oder im kritischen Moment viel Arbeit in wenig Zeit flüssig macht, oder den Wetteifer der einzelnen erregt und ihre Lebensgeister spannt, oder den gleichartigen Verrichtungen vieler den Stempel der Kontinuität und Vielseitigkeit aufdrückt, oder verschiedene Operationen gleichzeitig verrichtet, oder die Produktionsmittel durch ihren gemeinschaftlichen Gebrauch ökonomisiert, oder der individuellen Arbeit den Charakter gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit verleiht, unter allen Umständen ist die spezifische Produktionskraft des kombinierten Arbeitstages gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit oder Produktivkraft gesellschaftlicher Arbeit. Sie entspringt aus der Kooperation selbst.« (K. Marx, Das Kapital I, S. 344)
Das Kapital strebt danach, sich die gesteigerte Produktivkraft kollektiver Arbeit dienstbar zu machen, um die Rate des relativen Mehrwerts zu erhöhen.
Kooperation beinhaltet, daß individuelle Arbeitsleistung »unmittelbar durch andere bedingt und auf diese ausgerichtet ist, und zwar so, daß sich der einzelne im Vollzug seiner Arbeit ausdrücklich auf seine kooperative Aufgabe einstellen muß«.
Während in vorindustriellen Gesellschaften die kollektiven Arbeitsvollzüge meist mehr oder weniger zufällig an die Stelle individueller Arbeitsleistungen zu treten scheinen, werden sie in der Industrie von den funktionalen Gegebenheiten der Technologie durchgesetzt. »Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit.«
Die vom Kapital erzwungenen technisch-organisatorischen Rationalisierungsmaßnahmen führen zu dichteren Arbeitsvollzügen und einer zunehmenden Reglementierung des individuellen Verhaltens am Arbeitsplatz.« Während die Maschinenarbeit das Nervensystem aufs äußerste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der Muskeln und konfisziert alle freie körperliche und geistige Tätigkeit.« (K. Marx, Das Kapital I, S. 444)
Die Maschinerie wird nicht mehr vom Arbeiter angewendet, sondern die Maschinerie wendet den Arbeiter an: Er wird ihr lebendiges unlebendiges Anhängsel.
Unter dem Zwang dieser Gesetzmäßigkeit erfahren die kollektiven Arbeitsformen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Produktivkräfte eine Veränderung, die sich als Übergang von »teamartiger« zu »gefügeartiger« Kooperation bezeichnen läßt.
Als Beispiel für »teamartige« Kooperation in der Schwerindustrie gilt die Arbeit einer Gruppe von Erzfahrern, die Erze und Zuschläge aus dem Erzbunker holen und sie zur Gicht des Hochofens transportieren. Jeder Arbeiter hat hierbei die Chance, innerhalb eines gegebenen Zeitraumes, seine Arbeit selbst einzuteilen; die technische Anlage läßt den Handlungsmustern einen gewissen Spielraum; die Arbeit bietet die Möglichkeit gegenseitiger Hilfeleistungen, wenn beispielsweise die Verschlüsse der Erzbunker sich nicht öffnen lassen oder einer »einen schlechten Tag hat«.
Anders bei der »gefügeartigen Kooperation«, die sich am Beispiel der Arbeit der Bedienungsmannschaft einer Walzstraße charakterisieren läßt. »Die einzelnen Arbeitsvollzüge fügen sich in jedem Augenblick ineinander, setzen sich fort und ergänzen sich zu dem eigentlichen Arbeitsvorgang: das Walzen des Blocks ist in jeder seiner Phasen das Ergebnis eines präzisen Ineinandergreifens verschiedener und von verschiedenen Leuten ausgeführter Arbeitsvollzüge. Es fordert nicht nur große Sicherheit in der Beherrschung der einzelnen Handgriffe, sondern auch höchste Konzentration und vor allem die Bereitschaft, sich aufeinander einzustellen. Denn die Einzelvollzüge sind in einem bestimmten, von der technischen Anlage vorgegebenen Sinne aufeinander bezogen.« 12 Popitz u. a., Technik und Industriearbeit, a.a.O., S. 60
Der Arbeit wird durch die technische Anlage eine strenge zeitliche Ordnung auferlegt. Jede Phase des Walzprozesses muß innerhalb einer bestimmten Zeitspanne abgewickelt werden, um die folgende möglich zu machen.
Der Spielraum, der es erlaubt, die Zusammenarbeit auch nach persönlichen Bedürfnissen zu gestalten und sich wechselseitig zu helfen, ist hier fast völlig verschwunden. Die Kooperation ist »versachlicht« auf »technisches Zusammenspiel abgestellt«, sie erfolgt »auf dem Umweg über die technische Anlage«.
»Die aus den Ballspielen hervorgegangenen Sportarten haben an Regeln, Disziplinforderungen und Sondermoral Züge des kollektiven Arbeitsdaseins umstrukturiert erhalten.«13 Die Kooperation der Athleten auf dem Fußballfeld hat seit ihren Anfängen Umstrukturierungen erfahren, die den Wandlungen in der Arbeitssphäre entsprechen.
In den Frühphasen der Sportart erzwang zwar das gemeinsame Ziel einer Mannschaft, Tore zu schießen und gegnerische Tore zu verhindern, ein bestimmtes Maß an kooperativen Anstrengungen, gleichzeitig wurde jedoch der individuellen Disposition ein sehr weiter Spielraum gelassen.
Vor 1900 und besonders als das Fußballspiel noch vorwiegend von den Schülern der Public Schools und Studenten englischer Universitäten gespielt wurde - deren zukünftiger Beruf (Unternehmer unterm liberalen Konkurrenzkapitalismus oder Leiter kolonialer Aktionen) ein relativ hohes Maß an Autonomie, Freude an freier Disposition und innerer Disziplin voraussetzte -, war das individuelle »Dribbling«, sein Kernstück.
Dieser individualistischen Ausrichtung des Spiels entsprach die Tatsache, daß die Spielregeln zumindest teilweise vor jedem Spiel zwischen den gegnerischen Mannschaften ausgehandelt wurden, so daß sich die Spieler vorwiegend selbstgesetzten Regeln unterwarfen. Noch die ersten allgemein verbindlichen Regeln von 1863 enthielten keine Bestimmungen über Spielerzahl, Spieldauer, Ball, Spielstrafen und Spielwertung, so daß hierüber Abmachungen getroffen werden mußten.
Auch Schiedsrichter waren damals noch unbekannt; die Mannschaften sorgten selbst für die Einhaltung der Regeln. Die Spielzüge verliefen zu jener Zeit fast völlig unkoordiniert; spontane Hilfeleistungen für schwache Spieler waren möglich; die Spieler wurden in keine räumlich oder funktional begrenzte Rolle gepreßt.
Vergleicht man den heutigen Fußballsport mit dem der »Old Boys«, so zeigt sich, daß sich das Spannungsgleichgewicht zwischen den individuellen Bedürfnissen des einzelnen Spielers und dem Mannschaftsinteresse zugunsten des letzteren verschoben hat.
Individuelles »Dribbeln« spielt heute eine sehr untergeordnete Rolle, während das Zuspiel von einem Mannschaftsmitglied zum anderen die Szene beherrscht. Ein Rest von individueller Spontaneität scheint nur noch im Torraum bei der Ausnutzung und Herbeiführung von Einschußgelegenheiten gestattet zu sein. Doch auch dieser Rest wird von der fachmännischen Regie des Trainers gesteuert und absorbiert. Das hierbei gezeigte Talent gehört zum Betrieb, sonst würde es sich nicht meist glatt in das vorgeplante taktische Konzept einfügen.
Auch die Mitwirkung bei der Regelgestaltung liegt längst jenseits der Möglichkeiten der Spieler: Die Regeln werden heute bei internationalen Konferenzen bis in alle Einzelheiten festgelegt und überall, wo man den Fußballsport organisiert, hat man sich deren Beschlüssen zu unterwerfen. An die Stelle der technologischen Gegebenheiten des Betriebs, die das Verhalten am Arbeitsplatz determinieren, treten auf dem Spielfeld die vom Trainer exakt einstudierten Spielsysteme und Taktiken, denen sich die Spieler völlig unterzuordnen haben, »um das ›Teamwork‹ dadurch in eine Verfassung zu bringen, die einer gutgeölten Maschine gleicht«.15 Spontane Hilfeleistungen werden absichtlich erschwert, weil mit ihnen die Vernachlässigung definierter Aufgaben verbunden ist.16 Jeder Spieler hat innerhalb seines Teams eine räumlich und funktional genau definierte Rolle auszufüllen.
Die von der kapitalistischen Produktion erzwungene rationellkalkulatorische Zerlegung der kollektiven Arbeitsprozesse hat auf dem Fußballfeld ihr Pendant. Wie der Arbeiter und Angestellte muß der Fußballer auf seinem Posten ausharren, wo sich seine Aktionen auf sich wiederholende Spezialaufgaben reduzieren.
Aufgabenteilungen zur Leistungsmaximierung des Teams werden beim Fußballsport von Spielsystemen und Strategien durchgesetzt; sie entwickeln sich mit deren Differenzierungen.
Beim »Urfußball«, wie er vor 1850 gespielt wurde, war eine Spezialisierung unbekannt; der einzelne Aktive hatte keine bestimmte Aufgabe und keinen bestimmten Platz auf dem Spielfeld. Die erste Verteilung der Kräfte, die die Entwicklung des Spiels mit sich brachte, bestand in der Aufteilung der Akteure in Angriffs- und Abwehrspieler. Unter den Abwehrspielern erhielt im Laufe der Zeit der Torwart eine Sonderstellung. Noch in den ersten allgemeinen Spielregeln von 1863 war er nicht vorgesehen, da es jedem Spieler erlaubt war, den Ball mit den Händen zu fangen.
Er erschien erstmals in den Regeln von 1870 mit der Maßgabe, daß er als einziger Spieler berechtigt sei, zur Verteidigung des Tores die Hände zu Hilfe zu nehmen. Da das Zahlenverhältnis zwischen Stürmern und Verteidigern sehr zuungunsten der letzteren ausfiel, führte man Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Verstärkung der Abwehr durch zurückgezogene Stürmer, die sogenannten Halfbacks herbei.
Diese hatten sich im Raum zwischen Torwart und Verteidiger einerseits und den Stürmern andererseits aufzuhalten. Die Aufgaben der Aktiven in den damit entstandenen Mannschaftsteilen, Verteidigung, Läuferreihe und Sturm, waren damals noch völlig unspezifisch. Verteidiger und Läufer versuchten, die gegnerischen Stürmer in die »Abseitsfalle« zu locken, oder massierten sich gemeinsam vor dem eigenen Tor, um den Torschuß zu verhindern, den die gegnerischen Stürmer durch unkoordinierte Einzelaktionen anstrebten.
Im Gegensatz hierzu zeigte zum Beispiel das in den 1940er und 1950er Jahren übliche »WM-System« eine sehr ausgeprägte Rollendifferenzierung für die einzelnen Positionen innerhalb der Mannschaftsteile. Die erste Verteidigungslinie vor dem Tor wird bei ihm von drei Verteidigern gebildet. Die beiden Außenverteidiger decken die Außenstürmer des Gegners.
Die Aufgabe des Mittelverteidigers (Stoppers) ist es, den gegnerischen Mittelstürmer zu bewachen. In der zweiten Linie placieren sich die beiden Läufer, deren Aufgabe es ist, die gegnerischen Halbstürmer zu decken. Am eigenen Angriff dürfen sie nur dann teilnehmen, wenn das ihre Abwehrtätigkeit nicht nachteilig beeinflußt. Die Stürmer stellen sich ebenfalls in zwei Reihen auf.
In der hinteren Reihe stehen die Innenstürmer, die meistens vorbereitende Angriffsaufgaben haben und sich ab und zu an der Abwehr beteiligen. Die drei Sturmspitzen bilden die beiden Außenstürmer und der Mittelstürmer. Sie haben fast ausschließlich Angriffsaufgaben: Zur Abwehr tragen sie nur mittelbar bei, indem sie den gegnerischen Verteidigern, die ihnen den Ball abgenommen haben, das genaue Zuspiel erschweren.
Innerhalb dieses Gerüstes haben die einzelnen Spieler noch besondere Aufgaben zu erfüllen, die von der Taktik abhängen, mit der man einen bestimmten Gegner zu besiegen trachtet. Jedem Aktiven werden innerhalb eines Rollensystems festgelegte Verhaltensweisen abverlangt.
Sein Posten impliziert einen räumlich begrenzten Aktionsbereich, eine bestimmte Funktion innerhalb des Mannschaftsgefüges und bestimmte Rollenerwartungen (z. B. Fähigkeit zum Torschuß). »In jeder Positionsbezeichnung wird ein Katalog von Merkmalen evident, der dem einzelnen Mannschaftsspieler festgelegte Verhaltensmaßnahmen abverlangt.«
Die modernen differenzierten Spielsysteme begünstigten lange Zeit ein ausgeprägtes Spezialistentum: wer Spezialist für Schüsse mit dem rechten Bein war und schnell laufen konnte, wurde als Rechtsaußen eingesetzt; wer eine stärkere linke Seite aufwies und große Ausdauer zeigte, empfahl sich als linker Läufer. Aber wie in der industriellen Arbeitswelt, wo die sich sprunghaft wandelnden Produktionstechniken mehr Übersicht, Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit fordern, zeigten sich auch auf dem Fußballfeld die Schwächen eines zu einseitigen Spezialistentums.
In den letzten Jahren entwickelten die Trainer deshalb den Typ des »Allroundspielers«. In einem Interview, das er im Jahre 1961 gab, äußerte Alfredo di Stefano, der damals als der weitbeste Fußballer galt, zutreffend: »Der Fußballer der Zukunft muß in der Lage sein, auf jedem Mannschaftsposten spielen zu können. Er kann weder Verteidiger noch Läufer noch Stürmer allein sein, sondern er muß den ›Allround‹-Spieler verkörpern, der sowohl im Angriff wie in der Verteidigung seinen Mann steht. Die Stürmer müssen lernen zu verteidigen, die Verteidiger und Läufer wiederum müssen mit dem Angriffsspiel vertraut sein.«
Dieser neue Spielertyp erhält jedoch keineswegs eine größere Dispositionsbefugnis als seine Vorgänger zugesprochen, vielmehr erlaubt seine Vielseitigkeit, ihn in noch ausgefeiltere taktische Varianten einzuplanen, die auch den Positionswechsel von Spielern einschließen. Bei den zur Zeit üblichen 4-2-4- oder 4-3-3-Systemen werden meist nur noch die Sturmspitzen mit Spezialisten besetzt.
Die übrigen Feldspieler bewegen sich im rollenden System: Stürmer verwandeln sich in Verteidiger, Verteidiger verwandeln sich in Stürmer. Die Entspezialisierung erlaubt ein verstärktes »timing«, eine exaktere Verplanung der zeitgemäßen Gliederung des Spielaufbaus: zwischen Phasen relativer Zurückhaltung werden Phasen des »powerplay« eingeschaltet.
Auch das »Kommandoverhältnis« am Arbeitsplatz wird auf dem Fußballfeld in gewandelter Form beibehalten. So wenig diejenigen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, bei deren Einsatz entscheidend mitzureden haben, so wenig bestimmen die Fußballer über die Art der Verwendung ihrer sportlichen Fähigkeiten. Der »Erfolgstrainer« Max Merkel gesteht freimütig: »Ich bin ein Diktator. Im Fußball gibt es keine Demokratie. Da kann man nicht 6 Mann fragen.«
»Der Trainingsprozeß des Hochleistungssportlers beginnt wie ein Produktionsprozeß im Forschungslabor.«
Die Meisterschaften werden von Ärzten und Trainern vorgeplant wie die Produktionsprozesse von Ingenieuren und Ökonomen. Während bestimmter Zeitabschnitte wird die Mannschaft oder ein einzelner Spieler auf ein bestimmtes Ziel hin »aufgebaut« wie ein Wirtschaftsbetrieb auf eine optimale Produktionsleistung.
So wenig die Lohnabhängigen über Art, Dauer und Intensität ihrer Arbeitsleistungen zu bestimmen haben, trainiert der Leistungssportler nach eigenem Ermessen: sein Trainingsplan ist exakt terminiert und legt die Belastungen des Organismus detailliert fest. Die Maxime der Trainingslehre gebietet, dem gegebenen »psychophysischen Potential« die höchstmögliche sportliche Leistung abzutrotzen, die »Steigerung der körperlichen und seelischen Reize bis zur Erreichung der optimalen Funktionstüchtigkeit des Organismus«. (K. Deschka, Trainingslehre und Organisationslehre des Sports, Wien-München 1961, S.6)
Ihr entspricht die Maxime des Taylorismus, der im Interesse der intensiven Ausbeutung der Arbeitskraft auf »die Entwicklung jedes einzelnen zur höchsten Stufe der Verwertung seiner Fähigkeiten« drängt, »so daß er in der Lage ist, die Arbeit ... in höchster Vollkommenheit zu leisten«.24 Die Arbeitsphysiologie zielt darauf, mit möglichst geringem Kraftaufwand eine optimale Arbeitsleistung zu ermöglichen, die sportliche Bewegungslehre sucht die Bewegungsabläufe »immer zweckmäßiger, rationeller und damit auch erfolgreicher zu gestalten«.
Die von der Arbeitsphysiologie empfohlenen REFA-Methoden nehmen die heimliche Nützlichkeit der »Leerzeiten« zwischen den einzelnen Arbeitsverrichtungen in ihre Kalkulation auf. Diese können bei richtiger Dosierung die Arbeitsleistung steigern.
Bei dem von der Leichtathletik zum Fußballsport vorgedrungenen Intervall-Training wird das Intervall, die Pause zwischen den Belastungen, zur »lohnenden Pause«, die Höchstleistungen ermöglichen soll.
»Den Ruhepausen zwischen den Belastungen kommt genau die gleiche wichtige Bedeutung zu wie den Belastungen selbst. Es gilt die Zeitspannen der Pausen genauestens festzulegen.«
Die Untersuchungen Elton Mayos und seiner Mitarbeiter, welche die »Human Relations«-Aktivitäten initiierten, verwiesen auf die Bedeutung, die dem »Faktor Mensch« und damit der Manipulation der psychischen Dispositionen für eine optimale Arbeitsleistung zukommt. Die extremen seelischen Belastungen vor und während der Sportwettkämpfe und die Aufenthalte in Trainingslagern produzieren Streßsituationen, welche die Mannschaftsbetreuer immer mehr zwingen, sich mit der psychischen Disposition der Spieler zu beschäftigen.
Eine »Beschäftigungstherapie«, welche die nicht von sportlichen Aktivitäten ausgefüllte Zeit verplant, sorgt dafür, daß der einzelne Spieler nicht sich selbst überlassen bleibt und Rivalitätskonflikte oder leistungsmindernde psychische Dispositionen nicht überhand nehmen. Es läßt sich unschwer voraussagen, daß die Zeit nicht mehr fern ist, wo der Betriebspsychologe sein Pendant in den Produktionsstätten sportlicher Leistungsfähigkeit finden wird. Ein Münchener Verein nimmt bereits regelmäßig einen Psychologen in Anspruch.
Die vom Kapital erzwungene rationell-kalkulatorische Arbeitsteilung in der Produktionssphäre setzt sich im Bereich der Unternehmensleitung fort: Sie hat die Bürokratisierung des Managements zur Folge. Der frühkapitalistische Unternehmer war meist Eigentümer, kaufmännischer und technischer Direktor in einer Person. Die Vergrößerung der Produktionseinheiten zwang ihn zur Abgabe bestimmter Funktionen an weitere Personen: zu Beginn lediglich an qualifizierte Familienangehörige und Vertrauenspersonen später an eine zunehmende Zahl von Angestellten.
Die ersten Angestellten waren Buchhalter und Meister; heute erfüllen Angestellte spezialisierte Funktionen in der Produktionsplanung, der Arbeitsvorbereitung und -beaufsichtigung, der Verkaufsplanung und -durchführung, den Lohnbüros, der Personalverwaltung usw...
Der relative Anteil der Schreibtischarbeiter an der Gesamtheit der Lohnabhängigen nimmt ständig zu. Jeder dritte Lohnabhängige in der Bundesrepublik ist Angestellter. Die bürokratische Arbeitsteilung verlangt eindeutig abgegrenzte Kompetenzbereiche und Entscheidungsbefugnisse sowie fixierte Regeln, nach denen Entscheidungen getroffen werden sollen. Die Besetzung der Positionen ist von Fachwissen abhängig, die Dienste werden durch feste Gehälter entlohnt.
Vom Industriebetrieb und vom Staatsapparat ausgehend, hat die entfremdete, bürokratische Verwaltung zunehmend alle Lebensäußerungen der Gesellschaft ihrer Kontrolle unterworfen. In allen Sektoren der kapitalistischen Gesellschaft werden die Menschen auf Verwaltungsobjekte reduziert, denen die spontane Selbsttätigkeit ausgetrieben wird. Auch der Leistungssport - Teil der »verwalteten Welt« - ist längst zum verwalteten Sport geworden, welcher von Sportbürokratien reglementiert und verplant wird. »Mit dem Anwachsen der Sporttreibenden verminderten sich die Möglichkeiten freien unorganisierten sportlichen Treibens ... Bald stieß man auf Leute, die diese sportliche Tätigkeit zu verwalten hatten. Im Rahmen der öffentliche Ordnung war das nötig und gut.« Das stellt Walther Tröger, einer der führenden Verwalter des bundesdeutschen Sports fest.
Die unmittelbaren Träger des Sportbetriebs sind die Vereine. In den Frühphasen des Fußballsports haben die Vereine keine langfristigen Ziele, sie liefern keinen Rahmen für einen kontinuierlichen Sportbetrieb: Es handelt sich bei Ihnen um kurzfristige, spontane Zusammenschlüsse von Aktiven, die den Sportbetrieb selbst organisieren.
Der organisierte Sport verwandelt sie in bürokratisch organisierte Institutionen, die vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sind. »Der Verein funktioniert durch seine Organe. Ihnen obliegt die Leitung des Vereins und die Durchführung des Sportbetriebes.«
Die Vereinssatzung determiniert das arbeitsteilige Funktionieren der Verwaltungsorgane; sie legt Kompetenzbereiche und Entscheidungsbefugnisse fest; sie gibt die Regeln an, nach denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Vorstand, die Ausschüsse, die mit speziellen Aufgaben betraut werden, und die Leiter der einzelnen Abteilungen verplanen die Betriebsamkeit der aktiven Sportler.
Wie im organisierten Kapitalismus die Unternehmensbürokratien Befugnisse an die Bürokratien der Wirtschaftsverbände und des Verwaltungsstaates übertragen haben, so haben auch die Vereinsbürokratien Befugnisse an die sie überwölbenden, zentralen Verbandsbürokratien abgegeben. In der Bundesrepublik teilen sich die Bürokratien der Fußballvereine Kompetenzen mit den Bürokratien der Kreisverbände, der Bezirksverbände, der Landesverbände, der Regionalverbände, des Deutschen Fußballbundes und des Internationalen Fußballverbandes.
Darüber hinaus sind die Organisationen des Fußballsports mit den Landessportbünden und dem Deutschen Sportbund verflochten. Der einzelne Aktive schrumpft zum Objekt zentraler, entfremdeter Verwaltungen, deren Anordnungen er sich zu fügen hat. Die Verbandsbürokratien reglementieren das Verhalten der ihrer Hoheit Unterworfenen, indem sie Spielregeln festsetzen und deren Einhaltung erzwingen, Wettspiele in Serien verplanen, die Mannschaften verschiedenen Leistungsklassen zuordnen, Leistungen registrieren usw...
Die formaldemokratischen Prozeduren, die die Selektion von Rollenträgern für die entfremdeten Wirtschafts-, Staats- oder Sportbürokratien ermöglichen, tasten das »Gehäuse der Hörigkeit« nicht an, sondern verschaffen ihm eher die Legitimation. Demokratie wird erst durch die Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit solidarischer Individuen wahr; sie bleibt bloßer Schein, solange nur erlaubt ist, sich diejenigen auszusuchen, die Verhältnisse repräsentieren sollen, denen man sich »freiwillig« zu unterwerfen hat.
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